Die Stunde
Null -
Ende und Neubeginn
Anlass
für die Herausgabe des Heftes 16/1995 der Streifzüge des
Heimatkundlichen Arbeitskreises Vohenstrauß e. V. war die sog.
"Stunde Null". Ein Klischee?
50
Jahre nach Kriegsende (wie auch im Jahre 2005 wieder) beschäftigten sich
sämtliche Medien, angefangen von den regionalen Tageszeitungen über die
Magazine und Illustrierten, Rundfunk und Fernsehen zu dieser heute schon
geschichtlichen Epoche mit vielen Informationen, Berichten, aber auch
vielen Schlagworten: Bombardierung, Kinderlandverschickung, Volkssturm,
Werwolf, Todesmärsche, KZ Flossenbürg, Luftschutzkeller, Angst,
Niederlage, Besetzung, Befreiung ...
Vor
60 Jahren ging die unheilvollste Periode Deutschlands zu Ende: Das
Nazi-Reich und der Zweite Weltkrieg, Millionen Soldaten waren gefallen,
Millionen Zivilpersonen im Bombenhagel getötet, Millionen in den
Konzentrationslagern umgebracht worden.
Das
Jahr 1945 bedeutete das Ende des täglichen Sterbens an der Front, das
Ende der täglichen Bedrohung durch die Bombardierung der Heimat, das Ende
der NS-Herrschaft, für viele Fremdarbeiter das Ende ihrer Ausbeutung, für
viele das Ende der Leidenszeit im KZ.
Am
Ende standen zerstörte Heimat, Zusammenbruch, Millionen auf der Flucht -
Verlust von Heimat, oft der Familie, Verlust aller Habe - unendlich großes
Leid.
Das
Jahr 1945 bedeutete jedoch nicht Endgültigkeit im Sinne von Stillstand,
sondern war auch Beginn neuen Leidens: für Millionen deutsche Soldaten
der Anfang einer langen Kriegsgefangenschaft, der Beginn der Vetreibung,
der Neuanfang als Flüchtling in einer neuen Umgebung, der Beginn eines Lebens
als Kriegerwitwe, als Waise, als Heimkehrer oft vor dem Nichts, bedeutete
auch den Beginn eines neuen Zwangssystems, diesmal unter kommunistischem
Vorzeichen in der sowjetischen Besatzungszone.
Es
war aber auch der Anfang des beherzten Wiederaufbaus, der nicht immer
leichten oder gar reibungslosen Integration vieler Millionen Flüchtlinge
und Vertriebener dank großartiger gegenseitiger Kooperation letztlich
aller, der Rückkehr in die Völkergemeinschaft, in eine neue politische
Ordnung, die uns mittlerweile 60 Jahre Leben in Frieden und Freiheit
bescherte.
Die
Zeit, sagt man, heilt viele Wunden, manche aber besonders langsam. Über
seine Wunden und Schmerzen redet man nicht gern - man behält seine Leiden
für sich, man will nicht als wehleidig gelten. Deshalb haben viele
Betroffene lange geschwiegen, vielleicht zu lange geschwiegen, nur
geredet, wenn man unter sich war, wenn man sicher war, nicht falsch
verstanden zu werden.
Viele
von uns haben die Schrecknisse nicht erleben müssen, sie haben wie ich
(und über 60 Prozent der deutschen Bevölkerung) die "Gnade der späten
Geburt" und kennen diese Zeit nur aus Büchern, Filmen,
Fernsehsendungen usw. Wir können uns nicht selbst erinnern, wir müssen
aber alles tun, damit die Zeit, die nun mehr als ein halbes Jahrhundert
zurückliegt, nicht in Vergessenheit gerät.
Keine Archivbilder, keine Dokumente können das historische Geschehen so
anschaulich vermitteln wie die Erinnerung der damals Beteiligten und
Betroffenen, wenn sie auch hin und wieder auf Grund der langen, dazwischenliegenden
Zeit nicht mehr alle Fakten hundertprozentig korrekt einzuordnen vermag.
Wir haben versucht, Betroffene aller Bereiche - Frauen und (damals)
Jugendliche in der Heimat, ehemalige Soldaten an der Front und in der
Kriegsgefangenschaft, Flüchtlinge und Vertriebene, Zwangsarbeiter - zu
Wort kommen zu lassen. Oral History, Zeitgeschichte zu erfragen, regionale
Geschichte zu dokumentieren aus mündlicher Überlieferung, war unser
Anliegen - damit nicht alles in Vergessenheit gerät.
Peter
Staniczek
Die Texte zum Thema "Vohenstrauß 1945" wurden leicht
modifiziert den Streifzügen 16/1995 entnommen (Herausgeber:
Heimatkundlicher Arbeitskreis Vohenstrauß e. V., Copyright beim
Herausgeber)