Peter
Staniczek
Abgedruckt
in "Die Arnika", Zeitschrift des Oberpfälzer Waldvereins, 4/1986, S.
176-185
Ruhebett
des achtsamen...
Totenbretterbrauchtum
im Raum Vohenstrauß
„Ein
kalter Wind streicht um den Baum; es fröstelt uns und wir wollen rasch vorübergehen;
Totenbretter, alte und neue, säumen den Weg, Herbstnebel wallen weithin durch
die hügelige Landschaft, die einem großen See mit versteinerten Wellen zu
gleichen scheint und plötzlich liegt vor den Blicken der beiden Wanderer ein
Schloß mit hohem Dache und dicken, runden Türmen."
Kalter
Wind, Frösteln, Herbstnebel, Totenbretter — rasch vorübergehen, alles ein
wenig unheimlich. So beschreibt August Sperl in seinem 1920 erschienenen Roman
„Der Archivar" den Weg vom „Kalten Baum" nach Vohenstrauß sehr
anschaulich.
Walter
Hartinger (... denen Gott genad!", Pustet, 1979) zitiert einen Erlass des
Bezirksamtes Vohenstrauß an die Polizeibehörden aus dem Jahre 1895:
„Die
Anbringung von Totenbrettern hat sich zu einer Unsitte herausgebildet, da die
alten auf dem Boden liegen bleiben, selbst in Trümmern noch auf dem Boden
herumliegen und verfaulen, was sicher eine Gegend und namentlich die Umgebung
der öffentlichen Straßen, Wege und Ortschaften nicht verschönt. Die
bezeichneten Polizeibehörden werden daher angewiesen, die Anbringung neuer
Totenbretter an allen Distriktstraßen und Gemeindewegen umso mehr zu verbieten,
als es schon wiederholt vorgekommen ist, daß Pferde vor denselben von Furcht
ergriffen wurden. Alle auf dem Boden herumliegenden Totenbretter sind ungesäumt
überall zu entfernen und wird bemerkt, daß die Distriktwegmacher angewiesen
sind, alle Totenbretter, welche forthin an den Distriktstraßen angebracht
werden, sofort zu entfernen, wenn sie auf Aufforderung von den Besitzern nicht
entfernt werden."
Am
Ende des 19. Jahrhunderts waren die Totenbretter also noch außerordentlich
zahlreich. In einzelnen Pfarreien wurden Hunderte von Brettern erwähnt. Die
ablehnende Einstellung der Behörden hatte zwar unter den Brettern einigermaßen
aufgeräumt, konnte aber das Brauchtum nicht ausmerzen. Zwar eingeschränkt, hat
es sich doch bis in die Jahre nach dem letzten Weltkrieg gehalten. In manchen
Gemeinden kam es in den letzten Jahren sogar wieder zu einer Art Renaissance
dieses Brauchtums.
Dabei
lassen sich zwei Strömungen unterscheiden.
Die
ursprünglichen, „echten" Totenbretter verschwinden immer mehr. Gründe
dafür sind einmal der „Fortschritt": Neue landwirtschaftliche Techniken
und Arbeitsverfahren bedingen neue Agrarflächen und Erschließung durch breite
und befestigte Flurstraßen. An neuen Straßen stehen kaum mehr Flurdenkmäler.
Bildstöcke und Feldkreuze wurden dezimiert, mit ihnen die Totenbretter. In
einigen Fällen wurden ganze Stapel im Rahmen der Flurbereinigungsmaßnahmen an
Ort und Stelle verbrannt, manche wurden am Waldrand vergessen und
modern vor sich hin. Ein weiterer Grund ist das mangelnde Wissen um das frühere
Brauchtum, nur selten mutwillige Zerstörung.
Franz
Bergler (Oberpfälzer Heimat, 1975, S. 138 ff) verzeichnet noch 1975 im alten
Landkreis Vohenstrauß 32 Totenbretter.
Totenbretter
der Familie Ach, Etzgersrieth (Foto: Gertie Ach, 1973)
Sechs
davon stehen bei Etzgersrieth an der Straße nach Böhmischbruck. Die Familie
Ach pflegt hier eine Familientradition bis in die heutige Zeit. Die Aufstellung
reicht von 1927 bis 1972. Die senkrecht aufgestellten, früher weiß gehaltenen
Erinnerungsbretter wurden bei der letzten Renovierung abgebeizt und in braunem
Holzton belassen.
Foto:
Peter Staniczek (1986)
Zwei
ähnliche Bretter der Familie Höger aus Etzgersrieth an der Straße nach
Wildstein, ebenfalls weiß und senkrecht stehend (Foto in der Chronik des
Marktes Moosbach), sind mittlerweile von ihrem Standplatz verschwunden.
Foto
Gertie Ach, 1973
Wie
mir der Inhaber der Schreinerei Höger, ein Verwandter des Besitzers erzählte,
sollen wieder Bretter aufgestellt werden, aber in waagrechter Form. Eigentlich
schade um die Bretter von 1948 bis 1959, wenn sie auch nicht, genau wie die
Bretter der Familie Ach, der ursprünglichen Form entsprechen, denn auf einem älteren
Foto (etwa Anfang der 70-er Jahre beim Kranbühl) sind an einer Stadelwand
angebracht, noch zwei Totenbretter in liegender Form zu erkennen.
Foto
Gertie Ach, 1973
Mit
dem Abbruch des Stadels verschwanden auch diese vermutlich ältesten Bretter.
Verschwunden sind in den letzten Jahren auch drei in Böhmischbruck verzeichnete
Totenbretter, weiß und senkrecht stehend, datiert von 1907 bis 1930. Genauso
wie das „älteste" Brett im Böhmischen Pfarrwald, von dem Franz Bergler
aussagt: ,,[...] es ist auch das letzte, auf dem noch ein Toter lag."
Die Inschrift lautete:
„Auf
diesem Brette ruhte aus
zur
Beerdigung der Leichnam der
ehrengeachteten
Frau Anna Rackl,
Bauerswitwe
in Böhmischbruck,
geboren
23. Febr. 1831, gestorben
30.
Dezember 1907"
In
Niederland bei Moosbach werden noch zwei liegend angebrachte Totenbretter
genannt, die 1974 leider ausgewechselt wurden. Heute finden wir hier zwei neue
Bretter, senkrecht stehend, die alte Überlieferung wurde weder in der Form noch
in der Farbe eingehalten. Die alten Bretter sind noch in einer Zeichnung von
Helga Rast in der Moosbacher Chronik festgehalten. Die
Beschriftung des Brettes von 1936 wurde übernommen:
„Ruhebett
des ehrengeachteten
Georg
Irlbacher, Bauer von Niederland,
geboren
am 8. Juli 1877
gestorben
am 3. Januar 1936
Oh
Herr gib ihm die ewige Ruhe +
+ +
Der
Vater in die Sense trat
Das
hat ihn den Tod herbei gebracht
Ein
Vierteljahr mußte er schwer leiden
bis
er konnt verscheiden! "
Die
1975 noch erwähnten sechs Bretter in Fluröd bei Heumaden, senkrecht und weiß,
Aufstelldatum 1918, sind inzwischen verschwunden.
Die
zwölf Bretter von Waldthurn wurden hingegen erst 1973 auf Anregung des
Bezirksheimatpflegers Dr. Eichenseer anlässlich der Gestaltung der Marterlwege
im Rahmen der Flurbereinigung neu errichtet. Sie wurden weiß gestrichen,
schwarz beschriftet und waagrecht aufgestellt. Diese Art entspricht dem alten
Brauchtum. Dazu gehört auch, dass zwei der Bretter, die heruntergefallen waren,
zwischen den anderen liegengelassen wurden, statt sie zu reparieren.
Foto:
Waldthurn, Peter Staniczek, 1986
In
einer anderen Richtung läuft die Gestaltung der Totenbretter in Tännesberg.
Schon 1973 werden drei Bretter erwähnt, senkrecht und sehr farbig in der
Ausstattung. In der kalten Jahreszeit werden sie in Plastikfolie versteckt. Sie
stehen am Weg zur Burg und sind nicht auf Anhieb als Totenbretter zu erkennen,
erinnern eher an folkloristische Bauernmalerei. Nicht ganz ohne Humor erscheinen
die Inschriften, die auf die Berufe der Verstorbenen hinweisen. Einer wurde
schon öfter zitiert und lautet heute so:
„Hierauf
ruhte der ehrengeachtete / Herr Gg. Braun
geb.
am 30.9.1881 gest. am 20.2.1954 R. I. P.
Gemeindediener
war er 19 Jahr,
der
himmlische Lohn kunnt seiner harrn.
Manch
tausendmal rief er zur Haustür die Bürgersleut,
mit
seinem dienstlichen / Glockengeläut
Er
zog von Straße zu Gaße mit manch üblem Bericht,
verzeiht
liebe Bürger es war meine Pflicht.
Er
wog Rinder Kälber u. Schwein
Gott
mag ihm ein gnädiger Richter sein.
O'
Wanderer stehe still, gedenke mein,
denn
Morgen kannst Du auch bei unseren Herrgott sein.
Mit
diesen und den weiteren Brettern aus Tännesberg, die erst in jüngerer Zeit bei
St. Jodok errichtet wurden, acht an der Zahl, bestätigen sich die beiden Strömungen,
von denen ich bei Beginn sprach:
-
Verlust der wenigen ursprünglichen Bretter, Verlust um das Wissen des echten
Brauchtums auf der einen Seite;
-
andererseits Veränderung des Brauchtums in willkürlicher Form, wobei die
Schlichtheit früherer Bretter immer mehr folkloristischer
Fremdenverkehrsdarstellung weicht.
Totenbrettergruppe
bei St. Jodok, Tännesberg (Foto P. Staniczek)
Ziehen
wir Bilanz!
Von
32 Totenbrettern, die 1973 im alten Landkreis inventarisiert worden waren,
fehlen mittlerweile, nur 13 Jahre später, neun Bretter! Dazu noch die beiden
nicht inventarisierten Bretter der Familie Höger in Etzgersrieth. Ein Verlust,
der sich noch größer darstellt, wenn man die Erneuerung der beiden alten,
liegenden Totenbretter von Niederland dazuzählt: Verlustquote fast 40 %. Dem
steht ein Plus von zwei neuen Brettern in Niederland und acht neuen
Gedenkbrettern in Tännesberg gegenüber, wobei sich über deren Brauchtumswert
diskutieren ließe.
In
anderen Gegenden war es allerdings auch nicht besser. So konnten noch 1956 um
Neustadt zehn Orte mit insgesamt 55 Brettern genannt werden, von denen heute
(1986) nur noch zwei Bretter in Eppenreuth existieren (Quelle: Fr. Bergler).
Literatur
über Totenbretter gibt es sehr viel, meist beschränkt sie sich jedoch auf die
Wiedergabe der mehr oder weniger „originellen" Sprüchlein und die
unterschiedlichen Formen der aufgestellten Bretter.
Sieht
man auf die äußere Form, so kann man ganz grob zwei Zonen unterscheiden, wobei
die Landschaft der alten Vohenstraußer und Oberviechtacher Landkreise ein
Grenz- und Mischgebiet darstellt.
Form
und Aufstellung
In
der südöstlichen Oberpfalz dominiert das stehende Brett:
Es
wurde an die Stadelwand oder an den Zaun genagelt, frei am Kirchsteig
aufgestellt oder an Kapellenwänden angebracht. Das Brett kann einfache
Rechteckform haben, oft ist es aber auch zugeschnitten. Von Barock bis
Jugendstil werden alle Gestaltungsformen kopiert und vermischt. Die obere Seite
ist oft abgeschrägt und trägt ein kleines, die Inschrift schützendes Vordach.
Meist sind sie in den üblichen Grundfarben Weiß und Blau bemalt. Neben den
Lebensdaten der „tugendsamen" und „ehrengeachteten" Männer und
Frauen fordert häufig ein Reimspruch zum Nachdenken über die Vergänglichkeit
und zum Gebet für den Verstorbenen auf. Außerdem tragen viele Bretter noch
teils farbige Abbildungen des Namenspatrons oder allegorische Zeichen: die
Sanduhr, den Totenkopf z. B. für die irdische Vergänglichkeit, Kreuz, Herz und
Anker als Symbole der göttlichen Tugenden, oft das Auge Gottes.
|
Die senkrechten Bretter an der Kapellenwand
bei der Neumühle 4 km südlich von Oberlangau
(Foto Peter Staniczek) |
Solcherart
gestaltete Gedenkbretter stellen schon eine „moderne" Fortsetzung des
alten Brauchtums dar. Vorher lassen sich noch rohe Bretter feststellen, die kaum
mehr als den Namen des Verstorbenen, seine Lebensdaten und drei Kreuzchen
zeigen.
Nördlich
des alten Oberviechtacher Kreises, in der Vohenstraußer Gegend, herrschte von
jeher die Aufstellung auf der Längskante, das waagrechte Brett, vor.
Weiß
gestrichen, beschränkt sich die schwarze Inschrift auf die persönlichen Daten
des Verstorbenen, findet sich ein schlichter, kurzer Spruch, äußerst selten
ein Bild. Auch in der Form sind sie schmuckloser, es handelt sich um gewöhnliche,
gesäumte Bretter, gelegentlich an den Enden abgeschrägt und mit einem
Brettchen an der Oberkante versehen.
In
der Literatur gilt die liegende Form der Aufstellung als die ursprüngliche.
Erst in der Mitte des letzten Jahrhunderts beginnt die stehende Aufstellung;
diese Art dringt dabei von Süden nach Norden vor, möglicherweise weil sie
dekorativer erscheint. Damit wird aber auch im Landkreis Vohenstrauß das
originale Setzen des Totenbrettes auf die Längskante verdrängt.
Abgesehen
von der Form und der Art der Aufstellung herrscht weitgehende Unklarheit über
die Herkunft und das Alter des Brauches.
Ursprünglich
und vorrangig dienten die Bretter sicher als Aufbahrungsbretter und in den
Zeiten, in denen Särge noch nicht üblich waren, wurden die Verstorbenen auf
ihnen auch zu Grabe getragen. Laut Hartinger setzte sich im ausgehenden 16. Jh.,
also etwa zur Zeit der Erbauung der Friedrichsburg in Vohenstrauß, immer mehr
die Beerdigung in Särgen durch, so dass sich die Benutzung der Bretter auf die
Aufbahrung im Sterbehaus beschränkte. Nach Gebrauch wurden sie in den einzelnen
Gegenden verschieden genutzt: In manchen Gegenden wurden sie verbrannt, in
anderen aufgehoben bis zum nächsten Todesfall.
Vielfach
wurden die Bretter auch über Gräben, Bäche und sumpfige Stellen gelegt,
symbolisch eine Brücke für die Seelen der Verstorbenen auf dem Weg ins
Jenseits. Die Bretter waren schmucklos, einfach, höchstens mit drei Kreuzen
versehen. Sie sollten möglichst schnell vermodern und verfaulen, denn nur dann
konnte die Seele nach herrschendem Volksglauben ihre Ruhe finden. Ein Gebet des
Darübergehenden half dem Toten bei seiner Reise. Die aufgemalten Kreuze
bezeichneten den Zufluchtsplatz der Seele und durften nicht betreten werden.
Auch auf heutigen Totenbrettern sieht man gelegentlich noch diese drei Kreuze
(Waldthurn). Auch jenseits der Grenze, besonders im Pfraumberger, Planer und
Tachauer Umkreis war die Verwendung der Totenbretter als Stege üblich, wobei
die Bretter hier teilweise nach einiger Zeit entfernt und zur Herstellung von
Taubenschlägen und Taubenhäusern benutzt wurden. Solcherart erstellten Schlägen
entflogen angeblich keine Tauben mehr.
Erst
allmählich entwickelte sich der Brauch, die Aufbahrungsbretter nach Gebrauch
zuzurichten, zu bemalen, mit einer Inschrift zu versehen und sie als
Erinnerungsmale im Freien aufzustellen. Im Gegensatz zum Bayerischen Wald, wo
man die aufwendig gestalteten Bretter immer wieder vom Schreiner reparieren und
restaurieren ließ, wurden sie bei uns der widrigen Witterung überlassen.
Sinnbildlich endete die Leidenszeit der Seele im Fegfeuer erst mit dem Zerfall
des Brettes.
Echte Totenbretter und Gedenkbretter
Wie
steht es nun um die „echten" Totenbretter? Im alten Landkreis Vohenstrauß
gibt es keine mehr, nur noch Gedenkbretter. Aber im Sinne einer
„Totenbrett-Topologie" gehört ja auch der nördliche Oberviechtacher
Landkreis zu uns, nämlich im Sinne der waagrecht angebrachten Bretter.
Bei
dem Versuch, die Flurdenkmäler der Gemeinde Eslarn zu erfassen, stieß ich auf
ein Feldkreuz bei Bruckhof, von dem man mir erzählte, dass hier früher eine
Gruppe Totenbretter gestanden habe. Weil sie dem landwirtschaftlichen
Fortschritt im Wege standen, wurden die beiden Linden gefällt, das Feldkreuz an
eine neue Straße versetzt und die Totenbretter, da ja schon unansehnlich,
entfernt.
Ich
erinnerte mich aber, in den sechziger Jahren bei einer Wanderung durch das
Langauer Tal zwischen Eslarn und Oberviechtach auf eine Gruppe von Totenbrettern
gestoßen zu sein. Mit Hilfe zweier alter, kleiner und unscharfer Fotos machte
ich mich auf die Suche.
Totenbretter
der Familie Herrmann, Oberlangau, Foto P. Staniczek, um 1968)
Etwa
tausend Meter südwestlich der kleinen Ortschaft Oberlangau, wo der alte
Kirchensteig nach Pullenried den Wald („Falz") erreicht, stieß ich auf
die Totenbretter der Familien Herrmann („Röisl") und Zach („Deierl").
Allerdings stellte ich fest, dass sich einiges geändert hatte.
In
Oberlangau gibt es nämlich seit einigen Jahren einen Ortsverschönerungsverein,
und einer seiner rührigsten Mitarbeiter, Georg Bösl jun., ist nicht nur um ein
markiertes Wanderwegenetz bemüht, sondern kümmert sich darüber hinaus auch um
die Pflege der Flurdenkmäler.
Totenbretter
der Fam. Herrmann, Foto Staniczek, 1986
Die
früher auseinanderstehenden Totenbretter der Familie Herrmann wurden
zusammengestellt, wobei ein Brett, dessen Inschrift nur noch die persönlichen Daten
erkennen ließ, restauriert wurde. Es ist wieder weiß gestrichen und mit
schwarzer Farbe beschriftet. Ein Kreuz teilt das waagrecht angebrachte Brett,
und der rechte Teil der Tafel enthält einen Spruch. Auf meinen alten Fotos
konnte ich noch den Originaltext weitgehend entziffern (rechts der neue Text):
Andenken
an
den achtbaren H. Georg Herrmann
Bauer
von Oberlangau geb. am 27. Mai
1872
gest. am 29. Januar 1936
R
l P
Geduldig
hat er ausgelitten
Und
ging der Heimat Gottes zu
Er
hat den ... Kampf bestritten
Und
schlummert nun in sanfter Ruh |
Gedenktafel des
achtbaren
Herrn Georg
Herrmann
Bauer von
Oberlangau
geb. am 27 Mai
1872
gest. am 29.
Januar 1936
Und als dann
heim dein Herr dich rief
als Treu dein
Lebenswerk vollbracht
In seinen Armen
hast du still
die müden
Augen zugemacht |
Das
zweite Brett ist im Original erhalten und war ursprünglich wohl auch mit weißer
Farbe unterlegt:
Gedenktafel
der achtbaren
Frau
Theres Herrmann
Bäuerin
von Oberlangau
geb.
13. Juni 1888, gest. 26. Okt. 1959
Still
ruhen deine fleißigen Hände
Und
schlummerst nun in sanfter Ruh
Und
im Himmel sollst Du finden
Bei
dem lieben Gott die Gnad
Herz
Jesu erbarme Dich Ihrer
Das
dritte Brett ist von der Witterung schon sehr angegriffen, der Text weitgehend
zerstört. Erkennbar sind nur noch der Name und
das Sterbejahr
„Theresia
Herrmann"
„gest.
1882".
Das
Brett wäre demnach über hundert (!) Jahre alt. In Umrissen ist die Figur der
Muttergottes anstelle des üblichen Kreuzzeichens erkennbar.
Das
letzte an dieser Stelle angebrachte Brett lässt keine Daten mehr erkennen,
dagegen fehlt eine Tafel, die ich 1968 noch fotografieren konnte mit folgendem
Text:
Andenken
an
den achtbaren Michael Bösl
ehemaliger
Gütler v. Oberlangau gest.
am
7. Juni 1935 im 73. Lebensjahre
Vergeßt
mich nicht voll er (=Ehr) so
zart
Vergessen
sein ist gar so hart
Auf
der linken Wegseite, bevor der alte Kirchensteig das Gemeindegebiet verlässt
und in den Staatswald überwechselt, ist eine zweite Gruppe von Totenbrettern an
zwei Fichten angebracht, die Bretter der Familie Zach.
Foto
Peter Staniczek, 1980
Mit
zunehmendem Alter werden sie unleserlicher, oft sind die Inschriften nur noch
bruchstückhaft zu erkennen:
Ruhebrett
des achtbaren
Michael
Zach Bauer
von
Oberlangau geb. am
4.
April 1872, gest. am 3. Aug. 47
Weinet
nicht Ihr Lieben mein
Daß
Ich Euch so schnell verließ
Denn
in des Himmels Höhn
Ist
ja unser Paradies
Andenken
des
ehrengeachteten Hr. Andr. Zach
Bierführer
v. Oberlangau
geboren
20.9.1908, gest. 5.9.1936
Wenn
Liebe könnte Wunder tun
Und
Tränen Tote wecken
Dann
würde dich o teures Herz
nicht
kalte Erde decken. R.l.P.
Katharina
Zach
geb.
den 19. Januar 1846 gestorben
den
8. Juni 1897 Bäuerin zu Oberlangau
Aus
ist unsere Lebenszeit
hier
in diesen Tränenthal
darum
seid allezeit bereit
und
bettet für die armen Seelen jedesmal
Andenken
Des
Tugendsamen Jüngling
Thomas
Zach Bauersohn v. Ober
langau
geb. am 6. März 18.8 und gestorben
am
26. September ....
O
Schöne ... Gottshand
hast
mich ... Jünglingsgwand
Das
schöne was hier die Welt mir gab
Ist
nur das ...
Vom
letzten Brett ist nur noch ein schmales Fragment übrig ohne Daten.
Seit
dem Frühjahr 1984 sind über den vorgenannten Brettern zwei neue Gedenkbretter
im gleichen Stil angebracht; sie sind allerdings nicht mehr als
Aufbahrungsbretter in Gebrauch gewesen. Der Ortsverschönerungsverein versucht
hier, das alte Brauchtum wieder in Erinnerung zu bringen, ein gelungener
Versuch, weil auf jede unnötige, falsche Verzierung verzichtet wurde.
Brauchtum in Oberlangau
Der
Brauch, die Toten daheim auf einem Brett aufzubahren, bestand nach Aussage des
Bauern Konrad Ziegler aus Oberlangau bis in die Jahre nach Kriegsende. Die
Mutter des Röislbauern Georg Herrmann war eine der letzten, deren
Aufbahrungsbrett noch angebracht wurde. Er selbst erzählte mir, dass früher
jeder Verstorbene, der von Oberlangau nach Pullenried überführt wurde, sein
Totenbrett aufgestellt bekam. In Oberlangau gab es kein Leichenhaus, deshalb
wurden die Verstorbenen zwei bis drei Tage zu Hause aufgebahrt, das Brett dazu
brachte man zum Schreiner, der es etwas herrichtete. Bei der Sitzweil vor und
nach dem Beten des Rosenkranzes gab es Bier und Brot.
Georg
Herrmann erinnerte sich auch an eine verhältnismäßig große
Kindersterblichkeit: Die kleinen Mädchen wurden dabei von den Jungfrauen nach
Pullenried getragen, die kleinen Buben von den Jünglingen des Dorfes. War der
Verstorbene aus dem schulpflichtigen Alter heraus, wurde er mit dem
Pferdefuhrwerk oder dem „Steigerwagel" zum Friedhof gebracht. Diese
Aufgabe übernahm einer der nächsten Nachbarn. Die meisten Oberlangauer
Familien besaßen Felder am Kirchensteig, bei denen sie die nach Gebrauch weiß
gestrichenen und schwarz beschrifteten Bretter aufstellten. Wer kein Grundstück
am Kirchsteig besaß, stellte sie an der Gemeindegrenze zum Staatswald, dem
heutigen Standort, auf.
Den
alten Kirchsteig gibt es nicht mehr, er musste den Belangen der Flurbereinigung
weichen, zumindest bis zum Wald. Nur noch die beiden Totenbrettergruppen
erinnern an ihn. Eine weitere echte Totenbrettergruppe entdeckte ich am alten
Mitterlangauer Kirchensteig, etwa tausend Meter westlich von Mitterlangau. Bei
einem Feldkreuz am Waldrand sind die Bretter an zwei Pfosten waagrecht
angebracht, einfach in der Form, schmucklos und schon stark verwittert. Auf dem
oberen der beiden Bretter lassen sich mühsam noch folgende Zeilen entziffern:
...
an
die achtbare Frau Kath. Bayer
Ausnahmbäuerin
von Mitterlangau
gest.
16. Dez. 1936 im 67. Lebensjahr
Wurden
in der Langau die Bretter ausschließlich waagrecht angebracht, so ändert sich
dieser Brauch in südwestlicher Richtung. Bei der Neumühle, etwa vier Kilometer
südlich von Oberlangau, sind mehrere Bretter senkrecht an der Kapellenwand
befestigt. Diese „Ruhebretter" sind ebenfalls schon sehr alt, allerdings
dekorativer gestaltet.
Foto
Staniczek, 1986
Die
wenigen echten Bretter werden bald zerfallen, aus ihren Befestigungen brechen
und vermodern. Ihre Inschriften sind schon heute kaum mehr leserlich. Sollen sie
wieder hergerichtet, renoviert, repariert und restauriert oder gar in Museen
transloziert, transferiert, konserviert und präsentiert werden?
Wie
schon gesagt, endete nach dem Volksglauben die Leidenszeit der armen Seele im
Fegfeuer mit dem Zerfall des Brettes. Heimat- und Brauchtumspflege geraten in
echte Entscheidungsnöte.
Aus
dem Archiv
Eine
äußerst seltene Aufnahme von 1929 aus dem Archiv von Werner
Kaschel, Hersbruck, zeigt eine Totenbrettergruppe bei Pfrentsch
am sogenannten „Ulrichsbergweg", die schon „seit langer Zeit"
verschwunden ist. Die Inschriften der für unsere Gegend typischen, waagrecht
angebrachten Bretter sind nur schwer zu entziffern, die Schrift des unteren
Brettes lautet auf der linken Seite (Quelle: W. Kaschel):
Ruhebett
der ehrengedachten Frau
Walburga
Krapp, Ökonomensgattin
von
Pfrentsch gest. den 2. Januar 1905 in
ihrem
48. Lebensjahr. R.I.P.
zurück
Heimat-ABC zurück Kulturelemente
zu: ältestes Totenbrett
|