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Die Mundart der Region

 

Wenn über Mundart gesprochen und geschrieben wird, stellt man sie seit einigen Jahren in der Regel als Bereicherung der Persönlichkeit, ja als eine gute Grundlage der Bildung dar. Die Zeitschrift Focus überschreibt gar einen Beitrag mit dem spekulativen Titel: "Dialekt macht klug". 
Zum einen verwundert dies den "alten" Lehrer, der die Sprachbarrieren-Diskussion der siebziger Jahre noch miterlebt hat, hatte der Dialekt in der Auseinandersetzung  mit Pädagogik und Sprachwissenschaft doch einen harten, fast aussichtslosen Stand. Sogenannte dialektbedingte Fehler in Aufsätzen und Diktaten waren unter anderem Anlass, dass die Mundart zu einer "restringierten Sprachebene" mit wenig differenziertem, eingeschränktem Wortschatz herabgewürdigt wurde.

Zum anderen hat Mundart natürlich auch eine Lobby, sie gilt als identitätsstiftend, als bereichernd, unverzichtbar für die Sprachkultur überhaupt.

Quelle: Focus Schule Online, 02.01.06

 

 

Quelle: Rede des Bayerischen Staatsministers für Unterricht und Kultus, Siegfried Schneider, anlässlich der Vorstellung der Handreichung "Dialekte in Bayern" am  26. Januar 2006 in München

Von Zeit zu Zeit wird deshalb immer wieder von den verschiedensten Institutionen die Behandlung der Mundart im Unterricht verlangt, sei es gar als eigenes Unterrichtsfach oder zumindest als integrativer Bestandteil des Deutschunterrichts: "Die Lehrer müssten die regionalen Sprachvarietäten notfalls lernen" (Wolfgang Schulze, Professor für allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität München).

 

Dem bayerischen Kultusministerium war wohl eine neue Fortbildungsoffensive "Dialektdeutsch" zu aufwendig, wobei ein halbjähriger vom Kultusministerium geförderter Sprachkurs "Chiemsee-Mundart" für Lehramtsanwärter aus der Oberpfalz für die spätere Versetzung in die genannte Region als durchaus reizvoll vorstellbar ist.

Auch die regionale Lehrerfortbildung für sogenannte mobile Reserven (Lehrer, die als Springer bei Not im ganzen Schulamtsbezirk eingesetzt werden) wäre eine immense Aufgabe, denn sogar innerhalb des Landkreises finden wir eine Fülle an unterschiedlichen Sprachvarietäten und Ausdrucks-Nuancen.

Bei der bevorstehenden "Flurbereinigung" der bayerischen Hauptschulen und der damit verbundenen zwangsläufigen Versetzung vieler Lehrkräfte in die verbleibenden Hauptschulen etwa wäre eine Dialektfortbildung schon wieder notwendig.

 

Kultusminister Schneider (o. g. Rede):

"Wir haben also nicht vor, aktiven Dialektunterricht einzuführen - etwa nach dem Muster Boarisch für Preißn oder Oberfrenggisch für Sachsen."

Quelle: 

Bachman Armin R., Die Mundart von Eslarn in der Oberpfalz, Phonologie - Morphologie - Glossar, Stuttgart 2000, S. 13:

 

Abb. 3: Entsprechungen von ´Kette´ und ´Ofen´in Eslarn und Umgebung

 

Als Transkriptionssystem verwendet Bachmann das Internationale Phonetische Alphabet (IPA). Obwohl weltweit unter Sprachforschern bekannt, ist es in der oberdeutschen Dialektforschung nicht verbreitet. 

Für den Laien ist IPA nur schwer lesbar, populärwissenschaftliche ("Wörterböijchl") bzw. feuilletonistische Publikationen (Mundartgedichte, -erzählungen) damit nicht für die breite Öffentlichkeit realisierbar.

Analog zu der in Eslarn gebrauchten "Kien", in Vohenstrauß benötigten "Keen" und der in Waldthurn  benutzten "Kian" (Normalalphabet für Kette) beschimpft man sich auch mundartlich differenziert mit "Diets Deppen, diets!" in Eslarn, "Deets deppen, deets!" in Vohenstrauß und "Diats Deppen, diats!" in Waldthurn. Alle meinen "Ihr Deppen, ihr!", was im Hochdeutschen nicht annähernd die gleiche Intensität und Qualität des Gemeinten erreicht.

 

Angesichts solcher Vorstellungen hat das Kultusministerium sich auch darauf beschränkt, im Rahmen seines Verfassungsauftrags und aus pädagogischer Notwendigkeit, in Kooperation von Bayerischem Rundfunk und ISB (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung) eine Handreichung zum Projekt "Dialekte in Bayern" zu erstellen, die allen 5.000 Schulen in Bayern kostenlos zur Verfügung gestellt wurde.

Die Handreichung beinhaltet 2 DVDs, die alle Filme der BR-Reihe enthalten. Diese sind u. a. beim BRshop für 24,95 € erhältlich.

Die nebenstehende Handreichung kann in Teilen im pdf-Format heruntergeladen werden. Mit Klick auf nebenstehende Grafik gelangen sie auf die entsprechende Website des ISB.

Bairisch mit allen seinen regionalen Varianten ist eine mündlich gebrauchte Sprache, jeder Versuch sie niederzuschreiben ist wie schon oben erwähnt ein schwieriges Unterfangen wegen der Vielzahl von Lauten, für die das Alphabet nicht annähernd ausreichende Schreibmöglichkeiten bietet. 

Einen weiteren Versuch, zu einer Lösung zu kommen, stellte die Glosse des "Buschn-Hans" in der Verbandszeitschrift  des Oberpfälzer Waldvereins dar. 

"Sind diese vier schönen Kühe am Dienstag auch mit auf der Weide?" Dieser etwas merkwürdige Satz sollte nun ins Oberpfälzische übersetzt werden und zwar schriftlich. Ein Problem stellten schon die verschiedene a-Laute in den Wörtern "sind, am, auf" und "der" dar. Ohne Sonderzeichen war auch der Buschn-Hans (Hans Müller) ratlos. In den folgenden Ausgaben wurden von verschiedenen Lesern auch mehrere Varianten eingesandt.

 

 

 

 

 

Buschn-Hans, Das vertrackte Ding mit den vier Kühen - oder: Wie würden Sie es denn machen?, in "Die Arnika" (3/2001, S. 151)

 

"San döi vöier schöiner Köih am Irrta a mit af da Hout daba?" (Buschn-Hans)

"Han  dij vijer kij am Irda a mid af da Hijdwoi?" (Ilsebill Pröls)

Zwielaute

Unsere regionale Mundart zählt zum Nordbairischen Sprachraum, der zudem geprägt ist durch viele sogenannten Zwielaute (Diphtonge) wie z. B.:

ei: vadeina (verdienen); ich geih (ich gehe)

ai: Lait (Leute); haind (heute)

oa: a boa (ein paar)

ou: Brouder (Bruder) - sog. gestürzter Zwielaut

Oft wird versucht, das "ei" in "vadeina" durch ein geschriebenes "öi" zu ersetzen: "i göi ham" (= ich gehe heim), eine Notlösung. Publikationen populärwissenschaftlicher Art, geschrieben ohne das Internationale Phonetische Alphabet (IPA) können immer nur eine Krücke sein und auch nur von denen gelesen und verstanden werden, die den Dialekt verstehen, damit aufgewachsen sind bzw. als "Zugereiste" sich ihn ernsthaft erschlossen haben.  

Quelle: Dialekte in Bayern (KM), wie oben

Schad drum!

Als die Mittelbayerische Zeitung im März 2006 ihre Leser bat, vom Aussterben bedrohte Wörter einzusenden unter der Rubrik "Schad drum!" ergab sich sehr schnell, dass von den Lesern bevorzugt Mundartausdrücke genannt wurden. Erstaunlich und erfreulich zugleich war die Tatsache, dass nicht lediglich nur nach "Wörterböijchl"-Art Wortpaare geliefert wurden (aamol = einmal), sondern die Ausdrücke sehr häufig im Sinn- bzw. Satzzusammenhang erklärt wurden und somit leichter verständlich und lesbar wurden: "Zu schwachem Kaffee sagt man Wasserschnalzn, wie früher für Brotsuppe, die nur mit Wasser gekocht wurde. Und wenn man an den Türstock rennt, dann ist man damisch, weil man sich den Belle oghaut hat." (Hannes Würdinger, Maxhütte-Haidhof, MZ 16.03.06)

Quelle: Schad drum!

 

 

Martin Stangl, Wörterböijchl Oberpfälzisch-Deutsch, Weiden 2004

 

Ludwig Zehetner gilt mit seinem Lexikon "Bairisches Deutsch" gewissermaßen als der zeitgenössische Mundart-Papst Bayerns. Er lobte die o. g. MZ-Serie "Schad drum!" und war auch stolz darauf, dass die Zeitungsleser lediglich ein einziges Wort nannten, das nicht in seinem Lexikon enthalten ist. In seinem Lexikon zitiert er auch Spruchweisheiten wie "Der ist so blöd, dass er barfuß boußt." Besorgt sieht er die Fundamente des Dialekts ins Wanken geraten durch die Mobilität der arbeitenden Menschen, die Ausbreitung des städtischen Lebens und sogar durch die zunehmende Säkularisierung: Wer weiß noch, was ein Kommorant ist, was die "Epistelseite" - die "Weiberseite" - in der Kirche?"

"Man brauche eine sprachliche Heimat, konstatiert Zehetner und fordert Mut zum regionalen Idiom." (mz)

 

Bairisches Deutsch – Lexikon der Deutschen Sprache in Altbayern, München 1997 (Hugendubel), Neuauflagen 1998 (C.H. Beck) und 2005 (Edition Vulpius)

 

 

Quelle: Ulrich Kelber, MZ, 08.04.06, Vom "Spatzl" zur "Spinatwachtel"

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Wei geit´s da denn?

Beispiele aus Eslarn (östlicher Landkreis Neustadt an der Waldnaab) 

Quelle: meist meine Schwiegermutter Elisabeth Zierer, Eslarn/Xantenmühle

(Schreibweise "ei" wie in "Wie geht´s ..." ->> "Wei geit´s?)

Anlässlich der Heirat meines Sohnes fiel folgender Spruch:

"Hairats ner, hairats ner,

werds ´es scho dafoarn,

woizas Me(h)l hout´s niat v(ie)l

und s´rigga meits sporn"

 

Heiratet nur, heiratet nur,

werdet es schon erfahren,

Weizenmehl habt ihr nicht viel

und das roggen(mehl) müsst ihr sparen.

Als Jugendlicher war ich immer ganz entsetzt, wenn ich den Ausdruck hörte:

 "der hout se ganz schei vawaxn",

weil ich fälschlicherweise Missbildung damit in Verbindung brachte. Dabei hört sich der Dialekt und hier besonders der oberpfälzische nur manchmal etwas direkt und rau an:

"Wei geits da denn?" -

"Wei solls ma gei?

Ich gei halt a scho mi´n Oarsch af d´ Bisch zou!"

 

 

 

 

 

 

 

in die Breite gehen

Als Nichte und Neffe einmal in einen kleinen Streit gerieten, wurden sie gleich ermahnt:

"Sads niat wei Haua und Schafel afanand!"

 

 

Seid nicht wie Haue und Schaufel aufeinander

An (Mariä) Lichtmess bekamen die Kinder früher als Brauchtumsgebäck einen 

"Sodlgaal"

Dabei handelte es sich um das linke Pferd im Gespann, den Sattelgaul, der direkt mit dem Stoßzügel (Leitseil) gelenkt werden konnte. Das rechte Pferd war der sog. Handgaul, dessen Geschirr über ein Seil mit dem des Sattelgauls verbunden war.

In diesem Zusammenhang fällt auch der Begriff des

"menen" oder "mena".

"Ich ho mena mein, ´n Gaal feiern, af da Furch gei (beim Ackern)"

 

 

 

Sattelgaul (Deutsches Wörterbuch von J. u. W. Grimm)

 

 

 

 

Schmeller, Bayerisches Wörterbuch, Oldenbourg, 1985, S. 1614: "... das Leiten oder Führen des eingespannten Zugviehs ... beim Pflügen"

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