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Weiterer Stein mit Schwurhand bei Vohenstrauß entdeckt  (NEW 83)

 

Peter Staniczek, 

(Abdruck in "Steinkreuzforschung,  Sammelband Nr. 21, 1994, Herausgeber Rainer H. Schmeissner, Regensburg")

 

Die legendären Handkreuze im Elm bei Vohenstrauß


Unter den Flur- und Kleindenkmalforschern sind die einmaligen "Drei Handkreuze" im Elm bei Vohenstrauß schon Legende. Das mächtige Steinkreuz mit der Schwurhand ziert sowohl den Einband des Standardwerks "Steinkreuze in der Oberpfalz" von Rainer H. Schmeissner (Regensburg,1977) als auch den Titel der Schriftenreihe "Beiträge zur Flur- und Kleindenkmalforschung in der Oberpfalz" des gleichnamigen Arbeitskreises AFO mit Sitz in Regensburg seit 1978.

NEW 13 (Hand nur noch schlecht erkennbar)

Viele Sagen ranken sich um das ausgedehnte Waldgebiet zwischen Vohenstrauß, Waldau und Leuchtenberg und seine Steine, von denen eigentlich nur einer (ganz rechts bzw. westlich) als echtes Steinkreuz bezeichnet werden kann.

Die beiden links danebenstehenden sowie der vierte in etwa 60 m Entfernung in westlicher Richtung stehende Stein sind mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht als verstümmelte Steinkreuze anzusehen.

Gemeinsames Kennzeichen aller vier Steine ist eine eingemeißelte ausgestreckte rechte Hand. Schmeissner [1] katalogisiert die Steine mit "NEW 13 - 16" (von Osten nach Westen), im folgenden will ich dies der Einfachheit beibehalten.

 

NEW 14

NEW 13 - 15 (alle Farbfotos: Peter Staniczek, 30.12.2003)

NEW 15

Unterschiedliche Ausführung

    

Vergleicht man die Steine, so fällt auf, dass NEW 13 und NEW 15 (das Steinkreuz) aus dem gleichen etwas helleren und grobkörnigeren Granit bestehen und die Hände fast senkrecht in die Höhe ragend eingemeißelt sind. Im übrigen ist diese Hand bei NEW 13 fast nicht mehr zu erkennen, der saure Regen hat in den letzten beiden Jahrzehnten größere Wirkung als das bei Restaurierungen so "beliebte" Sandstrahlen ausgeübt.

Die Steine NEW 14 und 16 (der mittlere und der einzeln stehende) sind wiederum  beide aus feinkörnigerem und ein wenig dunklerem Granit, die eingemeißelte Hand zeigt ganz leicht schräg nach rechts oben.

Es scheint als wären die beiden jeweils beschriebenen Steinpaare von verschiedenen Steinmetzen gefertigt worden, möglicherweise auch zu verschiedenen Zeiten.

 

NEW 16 (60 m abseits)

Mittelalterliche Rechts- und Grenzzeichen

    

Das Alter der Steine lässt sich ohnehin nicht genau bestimmen, lediglich nach oben eingrenzen. So werden die Steine schon früh in Grenzbeschreibungen als exponierte Merkmale erwähnt.

Illuminatus Wagner datiert eine vermutliche Grenzbeschreibung des Landgerichts Leuchtenberg, in der neben dem Kalten Baum auch die Handkreuze erwähnt werden, in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts: "... so man von Steinach nach Lind geht, vom Steig hinfür in der gassen bis mitten in Furt des Baches Lerau zu Niederlind, daselbst von mitten des Furts auf das erste Hahnenkreuz, das an der von Lindach Felder steht, von demselben Hahnenkreuz auß Dreßgschieß, ..."[2] Vermutlich führte die Grenzbeschreibung zum Heidelberger Vertrag, 1546, der die Grenzen zwischen dem "Fürstentum der Obern Pfalz" und der Landgrafschaft Leuchtenberg festlegte.

1583 erwähnt der Pfleger von Tännesberg in einem Schreiben an den Pfleger von Leuchtenberg drei Marksteine, an der Straße von Oberlind nach Weiden, "welche das Amt Tännesberg, die Landgrafschaft Leuchtenberg und die Herrschaft Waldau scheiden, von denen einer verloren ging, habe er von der Amberger Regierung Befehl erhalten, denselben wieder aufzurichten". [3] Möglicherweise ist dies ein Hinweis auf die unterschiedliche Material- und Ausführungsart.

Anlässlich einer Grenzbereitung im Jahre 1589 wird der Verlauf der strittigen Grenze zwischen dem Pflegamt Tännesberg und dem damals pfalz-neuburgischen Amt Flossenbürg, zu dem auch das Amt Vohenstrauß gehörte, "vom Goldbrunnen gleich auf das Hant Creutz und von da auf die Kößlmühl" erwähnt. [4]

Das Handabschlagen war die häufigste Verstümmelungsstrafe und wurde unter anderem beim Tatbestand des Friedbruchs verhängt. [5]

Möglicherweise waren der Elm ein solcher gefriedeter Bezirk und die besagten Steine Grenz- und Hinweiszeichen auf denselben.  

 

   

Die Schwurhand als Kennzeichen

 

Hände auf Grenzsteinen sollen in der Rheinpfalz nicht unbekannt, ähnliche "echte" Steinkreuze mit diesem Merkmal aber erst in Litauen und Dänemark zu finden sein. [6]

Eine wiederum anders gestaltete Schwurhand mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger findet sich auf einem Kreuzstein (man achte auf den Unterschied zum Steinkreuz) in Gumpoldskirchen/Niederösterreich, versehen mit der Jahreszahl 1648, vermutlich einem ehemaligen Grenzstein des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz. [7]

 

NEW 13 - 15 - Aufnahme L. Wittmann in Das Steinkreuz, Die flurdenkmale des Landkreises Vohenstrauß, Michael Hardt, 1961

aus Die Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern, Bez.-Amt Vohenstrauß, 1907, S. 84

  

Neuer Stein mit Schwurhand bei Vohenstrauß entdeckt (NEW 83)

 

Nachdem die Flurdenkmallandschaft im Raum Vohenstrauß als weitestgehend erschlossen und dokumentiert galt, die "Handkreuze" und die mit ihnen zusammenhängenden Sagen oft und begeistert publiziert worden waren, wurde dem Kreisheimatpfleger durch einen glücklichen Zufall ein weiterer rätselhafter steinerner Zeuge präsentiert.

 

Die Ehefrau, jahrelang geschult im Erkennen diverser Flurdenkmäler, erkannte im Vorbeifahren, durch die Sonneneinstrahlung am frühen Nachmittag begünstigt, bei einem bislang unscheinbaren Stein am Straßenrand zwischen Böhmischbruck und Vohenstrauß an seiner leicht von der Straße weg in den Wald zeigenden Südostseite eine eingemeißelte Hand. Tatsächlich war damit am 19. April 1994 ein neuer "Handstein" entdeckt worden, der nach raschem, aber gründlichem Augenschein und nachfolgendem Vergleich mit den ca. 4,6 km (Luftlinie) entfernten "Handkreuzen" im Elm eine verblüffende Übereinstimmung mit den Steinen NEW 14 und 16 (dunkler und feinkörniger) aufwies.

 

Der Standplatz befand sich an besagter Kreisstraße von Vohenstrauß nach Böhmischbruck im Waldgebiet Penzach auf der linken (östlichen) Straßenseite, 200 Meter südlich von Kilometer 11,5. An dieser Stelle zweigt eine Forststraße nach links ab, 4,10 m östlich der Kreisstraße (ab Teerflächenbegrenzung) und 1 m nördlich der Forststraße war die genaue Fundstelle. Der Stein stand am Hang eines Abflussgrabens, ca. zwischen 60 und 70 cm aus dem Boden ragend.

 

Nachforschungen beim Staatlichen Forstamt Vohenstrauß ergaben, daß es sich bei dem Waldgebiet um Körperschaftswald der Stadt Vohenstrauß handelte, niemandem bisher die eingemeißelte Hand im Stein aufgefallen war, der Stein auch keine Funktion mehr erfüllte, obwohl im Kopf ein bei Grenzsteinen übliches Vermessungskreuz zu erkennen war. Vermutlich hat der Stein ursprünglich an anderer Stelle gestanden und war durch frühere Grenzänderungen überflüssig geworden. Obwohl eigentlich unübersehbar, scheint man ihn schon lange vergessen zu haben, denn er wurde auch nicht in den Zeiten der Bayerischen Landvermessung in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, wie oft aus Sparsamkeitsgründen geschehen, zum "KW-Stein" mit Nummer umfunktioniert.

 

 

Fünftes Handkreuz im Museumsgarten (Staniczek 1994)

 

NEW 16 (abseitiger Stein im Elm) - Aufnahme L. Wittmann in Das Steinkreuz, Die flurdenkmale des Landkreises Vohenstrauß, Michael Hardt, 1961

alle SW-Fotos: Peter Staniczek, April 1994

 

Da es sich dennoch wegen seiner Seltenheit und seines unverkennbaren Bezuges zu den "Handkreuzen" um einen wertvollen Stein handelt, der als Flurdenkmal laut Art. 1 DSchG zu den Baudenkmälern zählt, deshalb auch als geschichtliches Zeugnis geschützt werden muss, wurde nach Einholung der erforderlichen Erlaubnis der Stein in den Hofraum/Garten des Heimatmuseums der Stadt Vohenstrauß versetzt.

 

Aufgrund wiederholter Diebstähle von wertvollen historischen Grenzsteinen (Wappensteine) [8] in den letzten Jahren in unserem Raum erschien mir die neuentdeckte Rarität sehr gefährdet, zumal auch eine Beschädigung durch etwaige Langholztransporte nicht auszuschließen war.

 

Bei der Erschließung der Geschichte des Steins wird uns wohl wieder der Zufall zu Hilfe kommen müssen.

 

NEW 15 (im Elm) - Aufnahme L. Wittmann in Das Steinkreuz, Die Flurdenkmale des Landkreises Vohenstrauß, Michael Hardt, 1961

Die Oberpfalz, Nummer 11, November 1936, kein Autor, S. 300:

Rätselhaft ist das dunkle Rechteck auf dem Steinkreuz rechts.

   

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[1] Schmeissner, Rainer H., "Steinkreuze in der Oberpfalz", Regensburg, 1977, S. 183

[2] Ill. Wagner, Leuchtenberg in Geschichte und Sage, 1965 (10. Auflage), S. 53

[3] Ochantel, Karl, Zwischen Wahrheit und Sage, in 60 Jahre OWV Vohenstrauß, 1985, S. 86

[4] StA Amberg, Amt Vohenstrauß Rep. 101 Nr. 64 (Abschrift Therese Weiß, s. a. „60 Jahre OWV Vohenstrauß“, 1985, S. 105

[5] Justiz in alter Zeit, Rothenburg, o. d. T. 1984, S. 335

[6] Schmeissner, Rainer H.,Oberpfälzer Flurdenkmäler, Regensburg 1986, S. 208

[7]  Paul, Ada, Steinkreuze und Kreuzsteine in Österreich, Regensburg 1988, S. 16

[8] Mindestens ein Grenzstein der Herrschaft Fuchs von Wallburg (Beschreibung siehe Josef Baier, Die Landesgrenze zur CSSR/Chronik von Dietersdorf, Eigenverlag 1982, S. 34 ff), zwei Grenzsteine der Herrschaft Waldau mit Turm- und Rautenwappen (Beschreibung siehe Peter Staniczek, Marterlweg rund um Braunetsrieth, in BFO 7 Jg., Regensburg 1984, S. 30) u.a.

         

Flurkarte (Original 1 : 5000) - K.L. Vohenstrauß , NO LXX / 25 im Besitz des Staatl. Forstamts Vohenstrauß