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NEW 70 Waidhaus

Regierungsbezirk Oberpfalz

Landkreis Neustadt a.d.Waldnaab,

Markt Waidhaus, Steinkreuz

 

 

Am Wanderweg (Feldweg) von Waidhaus nach Ödkührieth/Kühmühle, am Ortsausgang des Marktes Waidhaus auf der Höhe steht links des Wegs versteckt im verwilderten Gebüsch das kaum sichtbare Steinkreuz.

Reiner H. Schmeissner beschreibt es als stark mitgenommen, linker Querbalken gänzlich abgeschlagen, "der rechte wurde erst neuerdings (um 1975?) an der Unterseite beschädigt. An der Vorderseite ein gezacktes Rad mit Hammer im Relief, die Inschrift "HE G MM ANNO 1769 IW" (nach B.A. Vohenstrauß) ist nicht mehr erkennbar."

Bei dem Hammer handelt es sich wohl um eine (Mühl-)Bille, einem besonderen Hammer, der einem Pickel ähnelt, zum Schärfen der Mühlsteine. (Franz Bergler, 32)

Hardt beschreibt es 1961: "Steinkreuz, Granit, 1 m hoch, von dem der linke Arm fehlt, steht am Weg nach Ödkührieth. Auf der Vorderseite im Relief ein Rad mit Hammer eingemeißelt, darunter die Buchstaben H E G. MM. Anno 1769, darunter JW. Soll für einen tödlich verunglückten Mühlarzt errichtet worden sein." (Anmerkung: Ein Mühl(en)arzt ist einer, der Mühlen baut oder repariert, siehe unten)

Unter einem Foto des Steinkreuzes schreibt Siegfried Poblotzki, einer der versiertesten Kenner der Regionalgeschichte: "Die Inschrift "HEGMM 1769" hat keinen Zusammenhang mit dem Ursprung. Die Steinkreuze wurden im Mittelalter und bei uns bis ins 16. Jahrhundert zur Sühne für einen Totschlag errichtet. Rad und Hammer weisen auf einen Eisenhammer oder eine Mühle hin, die mit der Tat eine Verbindung hatten."

 

Denkmalliste:

Steinkreuz mit ausgehauenen Zeichen Zahnrad und Hammer, nachmittelalterlich; am Feldweg nach Ödkührieth. [Fl.Nr. 173]

 

Literatur:
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M. Hardt, Die Flurdenkmale des Landkreises Vohenstrauß, 1961, 14

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Rainer H. Schmeissner, Steinkreuze in der Oberpfalz, Regensburg 1977, S. 206/207

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Die Kunstdenkmäler von Bayern, Bezirksamt Vohenstrauß, 1907, S. 114 (Hier werden die Buchstaben angegeben: HE G , MM,  ANNO 1769. IW; diese sind aber auf der Abbildung von 1907 schon nicht mehr sichtbar) 

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Siegfried Poblotzki, Geschichte der Grenzlandgemeinde Markt Waidhaus, 1979, S. 473

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Franz Bergler, Zur Technik der Getreidemühle, Oberpfälzer Heimat, 21. Band - 1977, S. 22-34

 

Nachtrag / Anmerkung:

Rainer H. Schmeissner schreibt in der Reihe Steinkreuzforschung, Bd. 42(NF27)/2017, S. 128: Sindlbach. Ein historisches Müllerzeichen auf einem Steinkreuz im Landkreis Neumarkt. [...] Nur schwer ist noch eine ringförmige Struktur auf der Schauseite auszumachen, die in der älteren Literatur durchwegs als "Mühlrad" beschrieben wurde. [...] Es ist Prof. Azzolas Verdienst, als deutschlandweit einzigartiger Kenner von Berufs- und Handwerkszeichen die wahre Bedeutung dieses Zeichens interpretiert zu haben. Es ist ein "Kammrad" und erinnert wohl an einen um 1500 gewaltsam umgekommenen Müller. Das Sindlbacher Steinkreuz [...] stellt somit eine Besonderheit ersten Ranges dar, denn nur einmal noch taucht ein weiteres Steinkreuz mit dem gleichen Symbol auf (Pollenried im Landkreis Regensburg). Azzola betont: "(neben Sindlbach und Pollenried) gibt es weder in der Oberpfalz noch anderwärts im In- bzwim nahen Auslandweitere Steinkreuze mit einem Kammrad als historisches Müllerzeichen."

Näheres findet sich ausführlich in dem Beitrag von F. K. Azzola in Beiträge zur Flur- und Kleindenkmalforschung in der Oberpfalz (BFO) 26 (2003), S. 49-53: Zwei spätmittelalterliche Steinkreuze mit dem Kammrad als historisches Müllerzeichen.

Es scheint mir durchaus legitim, auch das Waidhauser Steinkreuz als mögliche dritte Kammraddarstellung in die Diskussion einzuführen.

(Peter Staniczek)

 

 

Steinkreuz: Vorder- und Rückseite (rechts)

Die älteste mir bekannte Abbildung des Steinkreuzes aus den "Kunstdenkmälern Bayerns" - keine Inschrift erkennbar, aber im Text aufgeführt.

     
 

 

 

 

 

Gegenüber von dem Steinkreuz steht ein neueres Kreuz, das Motive des Steinkreuzes übernommen hat. Laut Poblotzki kam noch vor 1681 der Fleischer Lorenz Grötsch auf die Mühle (Kühmühle). "Seitdem ist das Anwesen, auf dem zuletzt der Mühlenbetrieb eingestellt wurde, im Besitz der Familie Grötsch." (S. 262)

Eine andere Spekulation könnte die Inschrift mit der in gleicher Richtung erreichbaren Marxmühle (MM?) in Verbindung setzen. Laut Poblotzki wurde diese um 1674 von Marx (Markus) Grötsch erbaut, ihm folgte 1710 sein Sohn Alexander Grötsch. 1737 kam durch Einheirat die Familie Wittmann auf die Mühle. 1774 ist Jakob Wittmann (JW?) der Besitzer. (Poblotzki, S. 249)

 

 

 

 

 

 

Anmerkung zum Mühlarzt, der nichts mit ärztlicher Tätigkeit zu tun hatte, sondern derjenige war, der Mühlen oder Teile davon baute oder reparierte. Das Deutsche Rechtswörterbuch - übrigens ein hervorragendes Werkzeug für Historiker und Heimatkundler - gibt folgende Erläuterung:

Mühlenarzt
Wortklasse: Maskulinum
Erklärung: der Mühlen (I) baut oder repariert; auch als Mühlenpächter.
·         Belegtext: [soll man] dem mollenartz in der nuwen molen das cleit geben, so ferre der ein molenartzt ist und die molen in buwe heldet; Datierung: 1455 Fundstelle: Bücher,FrankfBerufe 85 [weitere Angaben: ebd.ö.]

·         Belegtext: da aber einer eine muehle kaufft, und doch das handwerck nicht kan, noch treiben will ... soll er denen hierzu verordneten ... einen erfahrnen muehl-artzt, der das handwerck erlernet, fuerzustellen, und darueber, ob derselbige zum muehlwerck tauglich ... seye ... bescheids zuerholen; Datierung: 1683 Fundstelle: UlmMüllerO. 16

·         Belegtext: gesellen, welche muehlknappen, oder wenn sie den muelenbau verstehen, muelen-aerzte genennet werden; Datierung: 1757 Fundstelle: Estor,RGel. I 216

 

 

Ausschnitt aus "Mappa Specialis über die Nirnberger Landstrass [...] anno 1769"

 

 

Denkmalschutzgesetz

II. Baudenkmäler - Art. 6, Maßnahmen an Baudenkmälern
(1)  Wer
1. Baudenkmäler beseitigen, verändern oder an einen anderen Ort verbringen oder
2. geschützte Ausstattungsstücke beseitigen, verändern, an einen anderen Ort verbringen oder aus einem Baudenkmal entfernen will, bedarf der Erlaubnis. Der Erlaubnis bedarf auch, wer in der Nähe von Baudenkmälern Anlagen errichten, verändern oder beseitigen will, wenn sich dies auf Bestand oder Erscheinungsbild eines der Baudenkmäler auswirken kann. Wer ein Ensemble verändern will, bedarf der Erlaubnis nur, wenn die Veränderung eine bauliche Anlage betrifft, die für sich genommen ein Baudenkmal ist, oder wenn sie sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann.
(2)  Die Erlaubnis kann im Fall des Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 versagt werden, soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 2 kann die Erlaubnis versagt werden, soweit das Vorhaben zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbilds oder der künstlerischen Wirkung eines Baudenkmals führen würde und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen.
(3)  Ist eine baurechtliche Genehmigung oder an ihrer Stelle eine baurechtliche Zustimmung oder eine abgrabungsaufsichtliche Genehmigung erforderlich, so entfällt die Erlaubnis.  Die Baugenehmigung und die Zustimmung oder eine abgrabungsaufsichtliche Genehmigung können versagt werden, wenn die in Absatz 2 aufgeführten Gründe für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen.